Yoga ist für mich schon lange nicht mehr etwas, das man tut - es ist etwas, das man lebt. Es ist so viel mehr als Bewegung und Haltungen, ein paar Mantren oder Atemübungen. Es ist eine Lebenseinstellung geworden und weit weg von wallenden Kleidern und Räucherstäbchen und Om Shanti Om...
Nein, es ist eben nicht alles Liebe und Licht und Frieden in unserer Welt.
In der Yogawelt suchen wir nach den Auszeiten und Fluchten auf Retreats und Festivals. Schönheit und heile Welt. Eine Weile die Rauheiten der Welt vergessen - und ja, das ist wunderschön! Es tut gut, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, gemeinsam zu praktizieren, Neues zu lernen, zu singen und einer erhebenden Philosophie zu lauschen. Sich an wunderschönen Orten in weiche Betten sinken zu lassen, gutes und liebevoll zubereitetes Essen zu genießen, ruhige Orte zu beschreiten. Finanziell nach oben mittlerweile weit nach oben offen.
Umso eindrücklicher war mein Erlebnis am Gardasee. 6 Uhr morgens und ein Pulk von ca 30 Menschen steht bereit zum Qi Gong. Auch eine ruhige Praxis. Noch bevor es los geht kommt es zum Streit mit Jugendlichen, die dort am Strand geschlafen haben. Keiner von uns weiß, was da an Substanzen alles im Spiel war....
Jedenfalls tobt eine wilde und lautstarke Diskussion auf italienisch direkt neben uns.
Während neben uns die Wut nur so tobt, versuchen wir uns auf die Bewegungen und die Atmung zu konzentrieren. Alles sind geübt darin. Nicht unbedingt in Qi Gong, aber im Fokus halten.
Und so bildet unsere Gruppe einen ruhigen Gegenpol dem Toben am Ufer gegenüber. Beides ist in eindrücklicher Weise da: Ruhe und Wut, Fokus und Außer-Sich-Sein.
Wie im Leben und im momentanen Weltgeschehen. Wie halte ich meinen Fokus, wenn es neben mir tobt und schreit? Es war eine wunderschöne und eindrückliche Lektion, die das Leben mir da geschenkt hat. Weit weg von jeglichem Hochglanz und heile Welt. Und doch wieder heile Welt, weil ich die Wahl hatte, von welcher Energie ich mich tragen lasse, welche Welle ich surfe...
Auch das ist Yoga :-)